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Tagblatt Online, 09. Dezember 2006 00:30:59
«Alt wirkte er überhaupt nicht»
Zum Tod von Werner Haselmeier
Am 16. November 2006 hat Werner Haselmeier im 66. Lebensjahr seine Augen für immer geschlossen. Mitte August wurde bei ihm ein Hirntumor diagnostiziert und sofort eine Behandlung eingeleitet, doch der Krebs liess ihm keine Chance. Mit grosser Würde und Kraft hat er, begleitet von seinen Nächsten, sein Schicksal getragen.
Eigener Stil
Werner Haselmeier war ein Mann, der stets seinen eigenen Weg gesucht hat und ihn auch gegangen ist. Die Kunst war ihm eine Notwendigkeit, ein Teil von ihm, etwas, das ihn seit seinen frühesten Jugendjahren begleitet hat. Verschiedene Förderpreise und Stipendien ermöglichten es ihm, sich in Basel und Hamburg für einige Jahre ganz der Kunst zu widmen. Er erarbeitete sich dabei einen sehr eigenen Stil, den er in unterschiedlichen Schaffensphasen weiterentwickelte und perfektionierte.
Glückliche Fügung
Dass Werner Haselmeier seine Neigung zu seinem Beruf machen konnte, war eine glückliche Fügung: Als Zeichnungslehrer an der Kantonsschule St. Gallen und an der Thurgauisch-Schaffhauserischen Maturitätsschule für Erwachsene in Frauenfeld nahm er eine langjährige Tätigkeit als Lehrer für bildnerisches Gestalten auf, die ihm sehr gefiel. Wie viele seiner Schüler erinnern sich doch mit Freude an die Lektionen bei ihm! Er vermochte es, die Fantasie und die Lust an den Farben und am Zeichnen zu wecken, stand immer hilfreich bei, wenn Probleme auftauchten, liess einem dabei aber doch die Freiheit, die eigene «Handschrift» zu entwickeln und zu pflegen. Während seiner Lektionen wurde gern und viel gearbeitet, und es herrschte eine leichte, fröhliche Atmosphäre, die von Werner Haselmeier, dem warmherzigen, grosszügigen Menschen, ausging.
In eine andere Welt versetzt
Dass er nicht nur ein besonders guter Zeichnungslehrer war, sondern auch ein beeindruckender Künstler, erfuhr man, wenn man ihn in seinem Atelier in Sommeri besuchte. Der ganze Raum atmete Kunst, versetzte einen in eine andere Welt und lud ein zum Verweilen. In seinen letzten Lebensjahren hat er vermehrt gegenständlich gemalt und dabei grossformatige Bilder mit viel Tiefe geschaffen. Von der Auseinandersetzung mit der Welt geprägt, versetzen sie den Betrachter durch ihre Mehrschichtigkeit in Erstaunen. Die einzelnen Bilder wecken Erinnerungen an Geschichten und Ereignisse, doch da sie zu Kompositionen zusammengefügt sind, gerät man plötzlich ins Sinnieren über Vergänglichkeit und Beständigkeit. Werner Haselmeier hat diese Serie immer sein Alterswerk genannt und damit manchen zum Schmunzeln gebracht, denn alt wirkte der unternehmungslustige, vor Ideen sprühende Mann überhaupt nicht. Nun ist es aber doch seine letzte Schaffensphase geblieben und sein Werk damit auf einer symbolischen Ebene über ihn selbst hinausgewachsen. Es ist sein Vermächtnis an uns, das, was uns immer an ihn erinnern wird – und daran, dass Geschichten kommen und gehen wie das Leben und die Menschen selbst.
Kunst begleitete sein Leben
Kunst in jeder Form hat Werner Haselmeier sein Leben lang begleitet, und immer war es sein aus empfindsamer Seele antwortender Ausdruck auf das Bewegende unseres Mensch-Seins. Sein Lebenskreis hat sich geschlossen und traurig haben wir ihn gehen lassen, doch dankbar sind wir für die gemeinsame Zeit voll Licht, Farbe und Musik.
Karin Lüthi
 
Gestorben am 16. November:
Haselmeier Werner, von Fischingen, geboren am 18. März 1941, wohnhaft gewesen in Sommeri, Hauptstrasse 33. Die Abdankung findet am Freitag, 24. November 2006, um 14 Uhr in Sommeri statt. Besammlung in der Kirche.
 
 
Tagblatt Online, 26. März 2010 01:00:30
Auf der Suche nach gültigen Werten
Im Gespräch: Werner Haselmeier (r.) 1984 im Greuterhof Islikon. (Bild: Bilder: Barbara Fatzer)
Vor vier Jahren ist der Thurgauer Künstler Werner Haselmeier verstorben. Über ihn weiss man heute kaum noch etwas. Jetzt ist in der Musikschule Kreuzlingen ein bescheidender Ausschnitt seines vielseitigen Werks zu sehen.
 
BARBARA FATZER
kreuzlingen. Bereits im Lehrerseminar Kreuzlingen (1957 bis 1962) war Werner Haselmeier (1941 bis 2006) aufgefallen mit seiner Begabung und seinem Einfallsreichtum, so dass der Konviktführer und spätere Kulturförderer Ernst Mühlemann ihm dort sogar ein Atelier verschaffte. Er war es dann auch, der 1984 die Vernissagerede hielt im Greuterhof, als Werner Haselmeier dort seine erste grosse Einzelausstellung machte.
Es war gleichzeitig der Auftakt für ihn, nach Lehr- und Wanderjahren wieder im Oberthurgau sesshaft zu werden.
Dabei traf sich die damalige Kunstszene im Greuterhof, zu der inzwischen einige seiner ehemaligen Seminarkollegen zählten. Man war neugierig darauf, was aus dem Talent geworden war. Nur drei Jahre später hatte Haselmeier einen ähnlichen aufsehenerregenden Auftritt am Seminar selber, als einige seiner Kollegen für ihn dort auch eine Ausstellung organisierten.
Rückzug ins Private
Ein Jahr später kam sein Sohn Till zur Welt. Die Verantwortung für dieses Kind und die damit verbundene finanzielle Verpflichtung liessen bei ihm Existenzängste aufkommen, die Beziehung mit Tills Mutter zerbrach darum einige Jahre später. Das alles wirkte sich negativ auf sein Schaffen aus und schränkte ihn ein.
Später erhielt er zwar wieder Lehraufträge an Ausbildungsstätten, so dass sein einfacher Lebensunterhalt gesichert war und ihm mehr Freiheit gab für die künstlerische Hingabe. Aber aus der Öffentlichkeit zog er sich weitgehend zurück, er lud vor allem in sein Atelier in Sommeri ein für sehr eigenwillig gestaltete Ausstellungen.
Generalist und Lebenskünstler
Nun hat sein Sohn Till Schacher für seine Abschlussarbeit an der Pädagogischen Maturitätsschule dieses nicht ganz einfache Thema gewählt, einen Einblick in Leben und Gesamtwerk von Werner Haselmeier zu geben. Für ihn sei es sowohl Hommage an einen «Generalist und Lebenskünstler» als auch die Aufarbeitung einer Sohn-Vater-Beziehung, die eine ganz spezielle gewesen sei.
Wenige Tafelbilder sind aus den verschiedenen Stil-Phasen in der Musikschule Kreuzlingen zu sehen. Sorgfältig hat er ausgewählt und gehängt, um wenigstens eine Ahnung von der Vielseitigkeit der Künstlerpersönlichkeit wie auch der Qualität dieser zumeist grossformatigen Bilder zu geben. Das ganze Vorhaben wurde erschwert, da Werner Haselmeier zeit seines Lebens wenig Interesse hatte, seine Bilder zu katalogisieren, signieren oder zu datieren. Es gibt auch keine umfassende Dokumentation seines Schaffens, das zudem Zeichnungen, Grafik, Dreidimensionales und Performatives umfasst.
Gegen das Verschwinden
Trotz seiner manchmal schwierigen Lebensumstände und entsprechender Einbrüche hat Haselmeier fortwährend und mit einer solchen Intensität gearbeitet, dass der Nachlass gegen dreihundert unterschiedliche Werke umfasst. Auch wenn jetzt Till Schacher durch die Auseinandersetzung mit seinem Künstler-Vater einen Anfang gemacht hat, dass man Werner Haselmeier wieder zur Kenntnis nehmen kann, so harrt da noch eine riesige Aufgabe für die Nachlassverwalter. Vielleicht kann die jetzige Ausstellung so weit sensibilisieren wie auch dazu motivieren, dass das zurückgelassen Lebenswerk nicht einfach verschwindet.
Bis 10. Juli. Musikschule Kreuzlingen (Nationalstrasse 1). Mo–Fr: 13–20 Uhr. Führungen mit Till Schacher, Vereinbarung unter Tel. 079 454 81 24.
 
 
 
 
 
 
Tagblatt Online, 14. September 2007 00:30:59
Mehr als nur «Büroschmuck»
«Seitenwechsel»: Die Kunstsammlung der Stadt Kreuzlingen zu Gast über der Grenze
Zu Gast in Konstanz: Das Bild «Am 15. August?» des Thurgauer Künstlers Anton Bernhardsgrütter (1973). (Bild: Bild: zVg)
konstanz. Kunst aus der Sammlung der Stadt Kreuzlingen hat den Weg aus Amtsstuben in die Konstanzer Wessenberg-Galerie gefunden.
BRIGITTE ELSNER-HELLER
Einen Raum mit dem St. Galler Künstler Max Oertli teilt sich der nahezu unbekannte Werner Haselmeier aus Arbon, der im vergangenen Jahr gestorben ist. «Zimmer mit Geige» ist dennoch ein Gemälde, das mit seiner Verbindung aus Vanitas-Elementen mit fein abgestimmter Farbigkeit aufmerken lässt.
 
 
 
Tagblatt Online, 18. Mai 2004 00:30:59
Stimmungen aus dem Abstrakten
Werke von Werner Haselmeier auf Schloss Wartensee
ELISABETH VON HOSPENTHAL
rorschacherberg. Auf Schloss Wartensee wurde am Samstag eine Ausstellung eröffnet, die vom 16. Mai bis 17. Oktober 2004 Werke des Thurgauer Künstlers Werner Haselmeier zeigt.
Mit Werner Haselmeier kommt im malerischen Ambiente von Schloss Wartensee ein ausgesprochen begabter und vielseitiger Künstler zu Wort. Ein leidenschaftlicher Maler, dessen grosse Liebe zum Detail sich wie ein roter Faden durch sein Schaffen zieht. Das gilt sowohl für die gegenständlichen Darstellungen als auch für die sich daraus entwickelnde abstrakte Umsetzung von Motiven. Das Faszinierende an den Werken von Werner Haselmeier ist deren enorme Lebendigkeit, wie sie in dieser Intensität gerade bei der abstrakten Malerei kaum anzutreffen ist. Der enormen Wirkung, die von diesem kraftvollen und intensiven, aber gleichzeitig auch ausgesprochen sensiblen und einfühlsamen Zusammenspiel von Farben und Formen, von Licht und Schatten ausgeht, kann sich der Betrachter kaum entziehen. Man versucht erst gar nicht, hinter das Geheimnis dieser Lebendigkeit zu kommen, geniesst aber mit allen Sinnen die besondere Ausstrahlung und Wirkung dieser frohmütigen Licht- und Farbkompositionen.
Besondere Begabung erkannt
Näheres zur Person und zum künstlerischen Schaffen von Werner Haselmeier erfahren die Vernissagebesucher von Elisabeth Keller-Schweizer, die als Kunsthistorikerin für die Ausstellungen auf Schloss Wartensee zuständig ist. Doch im Gegensatz zu den meisten anderen Künstlern verbinde sie mit Werner Haselmeier eine gemeinsame Vergangenheit, lacht Elisabeth Keller und weist auf die gemeinsame Studienzeit am Seminar Kreuzlingen und auf beider Leidenschaft zu malen hin. Sein besonderes künstlerisches Talent sei schon damals offensichtlich gewesen, und wenn sich ihre Wege nach dem Studium auch trennten, habe sie seinen Weg als Künstler stets verfolgt und sei nun glücklich, seine Werke der letzten sechs bis sieben Jahre auf Schloss Wartensee präsentieren zu können, erklärt Elisabeth Keller.
Kontrastreicher Mittelpunkt
Werner Haselmeier ist in Arbon aufgewachsen und lebt heute in Amriswil, wo er seit vielen Jahren in Sommeri in einem alten Fabrikgebäude sein Künstleratelier betreibt. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit unterrichtet er an der Kantonsschule St. Gallen und an der Maturitätsschule für Erwachsene in Frauenfeld im Fach bildnerisches Gestalten. Während einigen Jahren arbeitete der Künstler schwerpunktmässig performativ und installativ, bis er 1995 wieder zur Malerei und damit zum klassischen Tafelbild und zur Arbeit mit dem Pinsel zurückkehrte. Kontrastreicher Mittelpunkt der jetzt auf Schloss Wartensee gezeigten Werke ist die im Foyer ausgestellte, gegenständliche Darstellung eines Weilers in der Nähe seines Ateliers. Den Schwerpunkt bildet eine Häusergruppe, die, wie von einem Magnet angezogen, locker zusammengefügt ist, jedoch beginnt, sich in Richtung Himmel und Erde aufzulösen. So entsteht zwischen Motivfindung und Motivauflösung ein Schwebezustand, der den Reiz und die Dynamik des Bildes ausmacht.
Prozess der Abstraktion
Die Motive der anderen Bilder ergaben sich aus den Strukturen, die sich durch das Sonnenlicht, das durch die Schattenlamellen dringt, auf dem Atelierboden bilden. In einem Prozess der Abstraktion bringt Werner Haselmeier die subtilen Licht- und Farbstrukturen mit dem Pinsel auf die Leinwand und lässt so Bilder von besonderem Charme und Reiz entstehen.
 
 
Tagblatt Online, 14. Mai 2004 00:30:59
Strukturelemente «saugen» Motiv auf
Werner Haselmeier knüpft in veränderter Form an die eigene Maltradition an
Rorschacherberg. Am Samstag, 17.30 Uhr, findet die Vernissage des Malers Werner Haselmeier im Schloss Wartensee statt. Er besinnt sich wieder auf das Tafelbild.
Werner Haselmeier, in Arbon aufgewachsen, lebt in Amriswil und hat sein Künstleratelier seit vielen Jahren in einem Loft im thurgauischen Sommeri. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit unterrichtet er an der Kantonsschule in St. Gallen und an der Maturitätsschule für Erwachsene in Frauenfeld das Fach bildnerisches Gestalten.
Seit 1995 hat sich Werner Haselmeier wieder mehr der Malerei zugewendet, während er in den Jahren zuvor schwergewichtig performativ und installativ gearbeitet hatte. Das klassische Tafelbild hat ihn erneut in Beschlag genommen, das Malen mit dem Pinsel wieder gepackt. Vor nicht allzu langer Zeit hat er einen grossen Teil der raumgreifenden Bodenarbeiten - die schweigenden Tücher, wie er sie zu nennen pflegt - vernichtet, entsorgt. Dies ist weniger als Verzweiflungstat, sondern eher als Befreiungsakt zu verstehen, vielleicht auch ein wenig als beides. Wieder frei malen zu können, das empfindet Haselmeier als wahre Erleichterung.
Hin zu den alten Wurzeln
Den erneuten Durchbruch zur freien Malerei und die Rückbesinnung auf das Tafelbild haben die neuen Wilden in Deutschland schon in den Achtzigerjahren vollzogen. Werner Haselmeier hat in den Neunzigerjahren wieder an seine eigene Maltradition angeknüpft, allerdings in veränderter Form.
Häuser als zentrales Motiv
Als Ausgangspunkt für die Malerei, von der ausgewählte Werke im Schloss Wartensee ausgestellt sind, darf die grosse Arbeit «Weiler» im Foyer angesehen werden. In ihr verbindet sich Motivisches mit freier Oberflächenstruktur in einer Weise, dass sich die Häuser als zentrales Motiv wie unter dem Einfluss eines magnetischen Kraftfeldes locker zu einer Gruppe zusammenfügen. Gleichzeitig aber beginnen sie sich auch in Richtung Himmel und Erde aufzulösen. Dieser Schwebezustand zwischen Motivfindung und Motivauflösung macht den Reiz und die Dynamik dieses besonderen Bildes aus.
Angeregt vom Sonnenlicht
In der malerischen Entwicklung dieser Bildreihe gewinnen die freien Pinselstrukturen die Oberhand. Das motivische Element wird vom strukturalen gleichermassen aufgesogen. Angeregt wurde er nicht zuletzt durch das ins Atelier einfallende Sonnenlicht, welches durch die Schattenlamellen hindurch auf den Boden des Ateliers Strukturen wirft, die bildbestimmend werden. Lichtsäulen und Lichtschlitze verbinden sich mit inneren Schwingungen des Künstlers, die er auf der Leinwand wiedergibt. Die äussere Motivik, die sich an Gegenständen entzünden kann, wechselt zu einer inneren Bewegung, die sich als Licht- und Farbdynamik auf der Bildfläche ausbreitet. Es ist, als ob das atmosphärische Element des oben erwähnten Bildes «Weiler» sich des ganzen Bildraumes bemächtigte und das Motivische dabei zusehends «verschluckte». Dieser Prozess der Abstraktion ist in den ausgestellten Bildern von Werner Haselmeier als wichtiges Gestaltungselement nachvollzieh- und erlebbar. Die Abstraktion übt zusammen mit den subtilen Licht- und Farbstrukturen ihren besonderen Reiz aus. (pd)
 
Ausstellung vom 16. Mai bis 17. Oktober im Schloss Wartensee
 
 
 
Tagblatt Online, 23. Juli 2003 01:30:00
Vom Ground Zero bis zum Bombengürtel
Im Gewerbezentrum Sommeri zeigt der Künstler Werner Haselmeier den ersten Block seines aktuellen Projektes «Jahresarbeit der 52 Bilder», eine konzentrierte Rückkehr zur Gegenständlichkeit.
SOMMERI - «Seit vier Jahren beschäftige ich mich wieder vorwiegend mit der Ölmalerei», stellt Werner Haselmeier fest, der sich in über 40 Jahren künstlerischen Schaffens schon einer grossen Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten bedient hat. Seine erneute Hinwendung zur Ölmalerei habe mit den «Strömungsbildern» begonnen, erklärt der Künstler. In grossformatigen Wandbildern und dreiteiligen Raumteilern, die in den grossen Fabrikräumen des Gewerbezentrums Sommeri wie in einer Museumshalle zur Geltung kommen, zeigt der Maler ganz unterschiedlich strukturierte Farbverläufe, in denen er natürliche Lichtstimmungen zusammen mit seinen jeweiligen Empfindungen fest hielt.
Jede Woche ein Bild «aufblasen»
 
«Diese Arbeit war für mich befreiend, vielleicht sogar zukunftsweisend - nach über 20 Jahren Erdarbeiten, Zuschütten, Überdecken», sinniert Haselmeier und präsentiert als «Schlüsselbild» zum Zyklus der «Strömungsbilder» einen verschlafenen Winkel von Sommeri im Winter. In diesem Bild habe er vor allem versucht, die Lichtstimmung einzufangen. Dieses Bild war aber nicht nur der Beginn der «Strömungsbilder». Es verweist als gegenständliche Darstellung bereits auf Haselmeiers aktuelles Projekt. Bis hin zu den «Strömungsbildern» widmete sich der Künstler lange Zeit der Abstraktion.
Jetzt arbeitet er konzentriert an seiner «Jahresarbeit der 52 Bilder», mit der er zur Gegenständlichkeit zurück kehrt. «Jede Woche entsteht ein neues Bild, dessen Ursprung ebenfalls ein Bild ist, das sich mir eingeprägt hat aus der alltäglichen Bilderflut», erklärt Werner Haselmeier sein Konzept. Er blättert in Zeitungen und Zeitschriften, um sich jede Woche ein beeindruckendes Bild heraus zu nehmen, das er dann in Ei-Tempera auf das stattliche Format von 140 mal 120 Zentimeter «aufbläst».
Schwungvoller Malstil
 
Haselmeier überträgt die vergleichsweise kleinen Vorlagen ohne Raster oder technische Hilfsmittel auf die grosse Leinwand und pflegt dabei einen locker schwungvollen Malstil. Seine Technik ist somit weit entfernt von der Punktgenauigkeit der Fotorealisten. In einer weiteren Fabrikhalle lassen sich bereits über die Hälfte der 52 Bilder aus grosser Distanz betrachten, was die Motive dann wieder sehr realistisch erscheinen lässt. Wir erkennen all diese Bilder wieder: Neben Rennfahrer «Schumi» hängt da die amerikanische Sicherheitsberaterin, über ihr eine palästinensische Selbstmordattentäterin, die drohend ihren Bombengürtel präsentiert. Dann schweift der Blick über die Baustelle «Ground Zero», streift den Meeresstrand, wo Menschen in Schutzanzügen gegen die Ölseuche kämpfen, um dann an brennenden Strassenbarrikaden in Bethlehem hängen zu bleiben.
Haselmeier präsentiert in seinen Bildern der Woche eine geballte Ladung einst hoch aktueller und rasch vergessener oder verdrängter Bilddokumente. Er holt sie zurück in unsere Erinnerung, im Grossformat, gegen das Vergessen von Tragödien wie auch von Lichtblicken, den fantastischen Eisskulpturen in China etwa, oder der wilden Siegesfahrt der «Alinghi». Der Maler mischt ernste und heitere Botschaften, ohne zu werten, alle im gleichen Format.
Ritual als roter Faden
 
Rituale sind ein bedeutendes Element, ein roter Faden, in Haselmeiers Schaffen. Ganz intensiv lebt er in seiner aktuellen Arbeit unser tägliches Ritual des Bilderkonsums aus. Die bisherigen Resultate können nach Terminabsprache (Telefon 071 411 44 08) mit dem Künstler bis auf Weiteres im Gewerbezentrum Sommeri, Hauptstrasse 33, besichtigt werden.
 
 
 
 
Tagblatt Online, 05. Juni 2002 01:30:00
Werner Haselmeier macht den Menschen zur Skulptur
Als «Skulpturelle Modeteile» bezeichnet Werner Haselmeier aus Sommeri seine neuesten Kunstobjekte.
Sommeri – Für seine «Skulpturellen Modeteile» bedient sich Werner Haselmeier natürlicher Materialien wie Sonnenblumen-Holz und Bambus, aber auch Wegwerfartikeln wie den Unterlagen für Frischfleisch-Verpackungen. Für jede seiner Kreationen hat der Kunstschaffende aus Sommeri – mit einem verheissungsvollen Schmunzeln – einen Namen parat: «Brett vor dem Kopf», «Thurgauer Apfelgurka», «Einfaden-Kostüm», «Stachelschwein-Frischfleisch-Packung». Obwohl Werner Haselmeier seine Kunstobjekte und -projekte hie und da nach aussen trägt und unter die Leute bringt, mag er sich nicht als Aktionskünstler bezeichnen, dann schon eher als «Bastel-», oder noch besser «programmatischer Künstler». Der Mensch als Skulptur ist für Haselmeier in seiner gegenwärtigen Schaffensperiode ein zentrales Thema, ebenso das Leben der Schamanen. Freunde, die Schamanen-Forscher sind, hätten ihn bei der Gestaltung der «Skulpturellen Modeteile» inspiriert. Auch die Urvölker würden sich bei ihrer Bekleidung der Materialien bedienen, die ihnen zur Verfügung stehen.
Erste Anprobe überstanden
Dass er für ein Teil seiner Kreationen Sonnenblumen-Holz verwendete, sei aber auch eine Hommage an die Sonne und die Energie und Kraft, die von ihr ausgehe. «Die Sonne», so der Künstler, «ist etwas Mystisches und Wertvolles. Sie wirkt auf mich stark inspirativ.»
Mit herkömmlichen Kleidungsstücken haben Haselmeiers Kreationen nichts gemeinsam – ausser, dass sie tragbar sind. Eine erste Anprobe haben sie überstanden, am nächsten Samstag werden sie am Amriswiler «Kulthurgaudi» erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Spontan zeigt Werner Haselmeier auch seine anderen «transportablen Kunstobjekte», etwa das «Rucksack-Bild». Ein Gang durch seine Atelierräume – wo er sich gerne zurückzieht, wenn er nicht bei seiner Freundin ist oder Unterricht für bildliches Gestalten an der Kanti St. Gallen gibt – in der vor Jahren stillgelegten Polsterfabrik gleicht einer Entdeckungsreise.
In der Wahl der Materialien bewegt sich Werner Haselmeier so vogelfrei wie in den Ausdrucksformen. Da verwundert es auch nicht, dass der Künstler schon ganze gebrauchte Kleidungsstücke auf die Leinwand gebannt hat und sich bei der Umsetzung seiner Ideen und Visionen keine kreativen Schranken setzt.
Eine Art Arbeitsmeditation
Vieles fliesse in eine Art Arbeitsmeditation, beschreibt Haselmeier sein Kunstschaffen. In Gestalt kommt dies auch in seinen neuen Objekten, den «Strömungsbildern» zum Ausdruck. Im Herbst hat er eine Ausstellung geplant. Wo diese stattfinden wird, weiss er noch nicht. Kann sein im eigenen Atelier beziehungsweise in den leeren Räumen der stillgelegten Fabrik, die sich für die Kunst als Event geradezu aufdrängen – des Künstlers Augen leuchten.
 
 
 
 
Tagblatt Online, 11. Dezember 2001 00:30:59
Kunst zum Betrachten und Anfassen
Werner Haselmeier eroffnete mit einer spielerischen Vernissage seine Atelierwoche in Sommeri
 
Immer wieder etwas Neues gibt es bei Werner Haselmeier zu entdecken. Und manchmal Altes, Verstaubtes, das im Laufe der Zeit ganz neue Bedeutung erhält.
 
Christian Ballat
Sommeri. Vor allem Malereien waren es, die den Betrachter von Werner Haselmeiers Werken früher in Bann zogen. Immer mehrwaren es in letzter Zeit auch Skulpturen, die das Interesse auf sich zogen. Nicht ohne Hintergedanken: Einige laden zum Tragen ein, andere zu Berührungs-Erfahrungen oder zu eindrücklichen Spielereien.
 
Kind im Mann
Lebendige Kunst ensteht, wenn der kreative Sommerer sich hinsetzt und Sträucher, Kartonschachteln, Holzäste, Säge, Nähmaschine, Kleisteroder Papiermachée in die Finger nimmt. Auf seinen täglichen Waldspaziergängen fand er diverse Hölzer, die jetzt in Skulpturen verarbeitet sind. So schlägt einem Hampelmann ähnlich demtannigen Läufer die Uhr des Waldes, die kämpft, aber sich schliesslich durchsetzt. Eine sich versplitternde Welt streift einen Menschen, berührt ihn - das zitternde Schaudern bleibt nicht aus.DasKind im Mann Haselmeier lebt, widerspiegelt sich in vielen seiner Werke. Nicht nur das: Er weckt das Kind imMann desBetrachters, das Kind in der Frau derBetrachterin. Schnell probieren auch sie aus, wie sich der letzte Mode-Schrei aus natürlichen Materialien am Körper trägt oder ob aus dem Stuhlorchester auch eine Blues-Band werden kann.
Neue Aktualität
Vor über zwei Jahren schuf der Künstler ein Katastrophenszenario.Er setztein einem gläsernen Sarkophag eine Stadt unter Schutt und Asche.Durchkleine Öffnungen konnten ihre Bewohnerinnen und Bewohner mittels einer Art magnetischer Angelrute herausgeholt werden. Damals begeisterte das Werk im Amriswiler Jubiläumsjahr-Kultur-Container «move» nicht nur die Kleinen. Zwischenzeitlich habe er es wieder vergessen, erzählt Werner Haselmeier spontan. Mit den Anschlägen aber vom 11. Sep-tember habe seine Kunst wieder eine ganz aktuelle Bedeutung bekommen und so steht die Stadt jetzt wieder mitten in seinem Atelier.Sowohl die in Zusammenarbeit mit der Schule Romans-horn entstandenenWaldskulpturen wieauch eigene Werke könnte sich Haselmeier auch als«Kunst am Bau» vorstellen. Es gäbe viele passende Wände oder Plätze, wo sich mehr alsnur die Besucherinnen und Besucher seiner Atelierwoche an den Werken erfeuen könnten. Wer weiss, vielleicht wagt auch ein künftiger Bauherr demnächst einen Blickhinter die Atelierwände.
Offenes Atelier
Mit seiner Vernissage vom Sonntag öffnete der Sommerer für eine Woche seine Türen. Wer Lust und Zeit hat, ihm bei seiner Arbeit über die Schultern zu schauen, sich mit ihm über seine Werke und Bedeutungen zu unterhalten oder ganz einfach herumzustöbern unddie Kunst wirken zu lassen - oder gar mit ihr zu spielen - ist jederzeit herzlich willkommen.Am nächsten Sonntag, 16. Dezember, lädt Werner Haselmeier alle Interessierten ab 10.30 Uhr zur Finnissage. Wer Lust hat, solle doch auch eine Handorgel oder ein anderes Instrument mitnehmen, um den Anlass musikalisch zu beenden.
 
 
 
Tagblatt Online, 06. Juli 2001 00:30:59
Das Zittern des Waldes
Zweiter Teil des Zyklus
 
Unter dem Motto «Dem Wald etwas zurückbringen» fand der zweite Teil des Zyklus «Aufsuchende Kunst» statt: Gemeinsam mit Studierenden der TSME Romanshorn (Erwachsenenmatura) verwandelte der Künstler Werner Haselmeier ein Waldstück ob Sommeri in einen Skulpturenwald.
 
MARK RIKLIN
Sommeri, auf einem Waldstück in der Abenddämmerung. Warmes, schwach gewordenes Licht schleicht sich zärtlich durch Verästelungen uralter Eichen und Haselnuss-Sträucher, die ihre filigranen Schatten auf den samtenen Waldboden werfen. Eine phantastische Naturkulisse für ein Lichtspieltheater der ganz besonderen Art, mit nackten, weissen Figuren aus Papier und Karton in den Hauptrollen.
Am Rande des Kornfeldes gibt ein Nadelfenster Einblick in die Wald-Galerie. Beim Näherkommen werden sie erkennbar, die Skulpturen aus Papier: die ausserirdische Giraffe, eine vorsintflutliche Ameise, eine versteinerte Schildkröte, ein gebärendes Ungeheuer oder der schmalbrüstige Boxer. Zum Teil mannshohe Urfiguren aus Kopf, Torso und Extremitäten, die im Rahmen einer Projektarbeit der TSME Romanshorn (Erwachsenenmatura) unter Leitung des Künstlers und Gestaltungslehrers Werner Haselmeier entstanden sind. Werner Haselmeier beschäftigt sich seit Jahren mit Papierarbeiten, Giacometti-artigen Papiergeistern beispielsweise, die im Verbund hin und her schwanken. Zittern sei ein urmenschliches Phänomen, Ausdruck einer Urangst und Urlust der Menschen, sagt Haselmeier. Ausgangspunkt für diese Arbeiten war vor Jahren eine Gruppe torsoähnlicher Kartonfiguren, die sich gegenseitig durchdringen, verletzen, gleichzeitig aber auch stützen. Von einem Generator in Schwingung versetzt und von UV-Licht bestrahlt, entstehe eine verblüffende Wirkung, eine Zitterpartie, als Sinnbild für das Schwingen des Waldes, der Baum-Sprache: «Bei der kleinsten Berührung werden diese verästelten Systeme in Vibration versetzt, die - an die benachbarten Äste weitergegeben - Dialoge entstehen lässt.»Ehrfürchtig steht Haselmeier vor Jahrhundertbäumen. Ob die Aktion «Skulpturenwald» eine intuitive Nachbildung des Waldes sei, eine Huldigung an dessen Schönheit, eine tiefe Verneigung vor dessen Alter, will er von seinen Studierenden wissen. Oder eine ökologisch-politische Arbeit, ein Appell an die Klimakonferenz gar? «In symbolischer Form soll diese Aktion unseren Respekt vor der Natur zum Ausdruck bringen», sagt Janine Güntzel. Bei Mondschein und Fackellicht sitzen drei Dutzend Besucher um eine Feuerstelle, während Haselmeier und Musikerfreund Ernst Langanke zitternde «Schnorre-Giigele-Klänge» in die Nacht blasen, «ein ergreifender Höhepunkt», sagt Aktionsbesucher Kaspar Staub. Dass der Amriswiler Künstler seine zweite Aktion des Zyklus «Aufsuchende Kunst» dem Wald widmet, ist kein Zufall. Täglich drehe er mit dem Fahrrad während einer drei viertel Stunde seine Runde, jeden Winkel kenne er, beinahe so gut wie die eigene Hosentasche. Der Wald sei für ihn
ein Ort der Erholung, wo er als täglicher Waldbewohner regelmässig den Dialog mit Weisstannen seines Jahrrings pflege. Immer wieder ist Haselmeier beeindruckt vom Parlament der Bäume, einem sozialen Verbund, der auf engstem Raum zusammenlebt, voller Ruhe und Gelassenheit jahrzehntelang nebeneinander steht, ohne sich zu erdrücken, in einem geduldigen Prozess des Wachsens und Wartens. «Wären wir Menschen doch wie der Wald», wünscht sich Haselmeier, «einer stünde neben dem andern, gleich stark, beschützend, Licht in der Krone, die Arme zumandern hingewendet, fest im Boden verankert.»
 
 
 
Tagblatt Online, 04. Juli 2001 01:30:00
«Wären wir Menschen doch wie der Wald»
Unter dem Motto «Dem Wald etwas zurückbringen» fand am letzten Wochenende der zweite Teil des Zyklus «Aufsuchende Kunst» statt: Gemeinsam mit Studierenden der TSME Romanshorn (Erwachsenenmatura) verwandelte Künstler Werner Haselmeier ein Waldstück ob Sommeri in einen Skulpturenwald.
Unter dem Motto «Dem Wald etwas zurückbringen» fand am letzten Wochenende der zweite Teil des Zyklus «Aufsuchende Kunst» statt: Gemeinsam mit Studierenden der TSME Romanshorn (Erwachsenenmatura) verwandelte Künstler Werner Haselmeier ein Waldstück ob Sommeri in einen Skulpturenwald.
Kollektives Gesamtkunstwerk
Sommeri, auf einem Waldstück in der Abenddämmerung. Warmes, schwach gewordenes Licht schleicht sich zärtlich durch Verästelungen uralter Eichen und Haselnuss-Sträucher, die ihre filigranen Schatten auf den samtenen Waldboden werfen. Eine fantastische Naturkulisse für ein Lichtspieltheater der ganz besonderen Art - mit nackten, weissen Figuren aus Papier und Karton in den Hauptrollen.
Kaum sichtbar zittern sie im schwachen Wind, verwachsen mit Wald und Betrachtern in symbiotischer Form zu einem kollektiven Gesamtkunstwerk.
Spiegelbild
Am Rande des Kornfeldes gibt ein Nadelfenster Einblick in die Wald-Galerie. Beim Näherkommen werden sie erkennbar, die Skulpturen aus Papier: die ausserirdische Giraffe, eine vorsintflutliche Ameise, eine versteinerte Schildkröte, ein gebärendes Ungeheuer oder der schmalbrüstige Boxer. Zum Teil mannshohe Urfiguren aus Kopf, Torso und Extremitäten, die im Rahmen einer Projektarbeit der TSME Romanshorn (Erwachsenenmatura) unter Leitung des Künstlers und Gestaltungslehrers Werner Haselmeier entstanden sind.
«Kartonschachteln in verschiedenen Grössen und Formen wurden mit Kleister beklebt und mit Leisten zusammengesteckt. Entstanden sind stabile Figuren und Skulpturen im primären Stadium», sagt Janine Güntzel, Studentin im dritten Semester, «ein Spiegelbild der Gesellschaft sozusagen, ihrer Klasse auch, ein Abbild der Altersunterschiede und der Vielfalt an Lebensentwürfen der TSME-Studierenden.»
Zitterpartie
Werner Haselmeier beschäftigt sich seit Jahren mit Papierarbeiten, giacometti-artigen Papiergeistern beispielsweise, die im Verbund hin und her schwanken. Zittern sei ein urmenschliches Phänomen, Ausdruck einer Urangst und Urlust der Menschen, sagt Haselmeier.
Ausgangspunkt für diese Arbeiten war vor Jahren eine Gruppe torsoähnlicher Karton-Figuren, die sich gegenseitig durchdringen, verletzen, gleichzeitig aber auch stützen.
Von einem Generator in Schwingung versetzt und von UV-Licht bestrahlt, entstehe eine verblüffende Wirkung, eine Zitterpartie, als Sinnbild für das Schwingen des Waldes, der Baum-Sprache: «Bei der kleinsten Berührung werden diese verästelten Systeme in Vibration versetzt, die - an die benachbarten Äste weitergegeben - Dialoge entstehen lässt.»
Ehrfürchtig
Ehrfürchtig steht Haselmeier vor Jahrhundertbäumen. Ob die Aktion «Skulpturenwald» eine intuitive Nachbildung des Waldes sei, eine Huldigung an dessen Schönheit, eine tiefe Verneigung vor dessen Alter?, will der Künstler von seinen Studierenden in einer «Hinterfragungsstunde» wissen. Ein Erlebniswald vielleicht, ein Grimmscher Märchenwald, eine neue Dimension der Sinnlichkeit? Oder eine ökologisch-politische Arbeit, ein Appell an die Klimakonferenz gar?
Respekt vor der Natur
«In symbolischer Form soll diese Aktion unseren Respekt vor der Natur zum Ausdruck bringen», sagt Janine Güntzel, «Materialien, die uns der Wald liefert, finden auf diese Art den Weg zurück zu ihrem Ursprungsort.»
Tonnenweise Zellulose werde dem Wald täglich weltweit entzogen, ein Teil dieser Raubgüter soll nun in skulpturaler Form zurückgebracht werden, ergänzt Werner Haselmeier: «Der Wald soll nicht nur als Holzreservoir gesehen werden, sondern als ein ökologisches Reich sondergleichen.»
Ergreifender Moment
Bei Mondschein und Fackellicht sitzen drei Dutzend Besucher um eine Feuerstelle, während Haselmeier und Musikerfreund Ernst Langanke zitternde «Schnorre-Giigele-Klänge» in die Nacht blasen. «Ein ergreifender Höhepunkt», sagt Aktionsbesucher Kaspar Staub.
Kein Zufall
Dass der Amriswiler Künstler seine zweite Aktion des Zyklus «Aufsuchende Kunst» dem Wald widmet, ist kein Zufall.
Täglich drehe er mit dem Fahrrad während einer dreiviertel Stunde seine Runde, jeden Winkel kenne er beinahe so gut wie die eigene Hosentasche.
Der Wald sei für ihn ein Ort der Erholung, wo er als täglicher Waldbewohner regelmässig den Dialog mit Weisstannen seines Jahrrings pflege.
Parlament der Bäume
Immer wieder ist Werner Haselmeier beeindruckt vom Parlament der Bäume, einem sozialen Verbund, der auf engstem Raum zusammenlebt, voller Ruhe und Gelassenheit jahrzehntelang nebeneinander steht, ohne sich zu erdrücken, in einem geduldigen Prozess des Wachsens und Wartens.
«Wären wir Menschen doch wie der Wald», wünscht sich Haselmeier, «einer stünde neben dem andern, gleich stark, beschützend, Licht in der Krone, die Arme zum andern hingewandt, fest im Boden verankert».
 
 
 
Tagblatt Online, 09. Mai 2001 01:30:00
Akteure im gleichen Stück
Der vierteilige Zyklus «Aufsuchende Kunst» ist eröffnet: Mit einer unkonventionellen Aktion plädierte der Künstler Werner Haselmeier vergangenen Sonntag für eine Welt ohne Gewalt. Ein kulturelles Ereignis der ganz besonderen Art.
Gewerbezentrum Sommeri, in der «Halle des grossen Feldes». Fast die gesamte Fläche der riesigen Fabrikhalle von rund 400 Quadratmetern, einst Präsentationsraum der ehemaligen Möbelfabrik, ist an diesem Sonntagvormittag mit grossformatigen Kunstwerken von Werner Haselmeier belegt: Eine jüdische Tora ist zu einem langen Teppich entrollt, tuchähnliche Objekte schweigen still vor sich hin.
Des Künstlers Arbeiten sind ausgebreitet zu einem Thurgauer Feldergemisch aus Erd- und Aschetönen, in dem sich «sensible Bücher», eine «Tränenmulde» und ein «Gebärkleid» wie Sträucher und Bäume erheben, sozusagen stellvertretend für die später auf dem Spaziergang erlebte Landschaft.
Bitte berühren!
Etwa 80 Gäste haben sich in der Halle eingefunden, als der 60-jährige Künstler sie auffordert, ein 16-teiliges Sprungtuch zu spannen: «Es muss knattern», lacht Haselmeier Kinder dazu animierend, das Kunstwerk zu betreten und Fangis zu spielen.
Innert Sekunden initiiert Haselmeier eine unerwartete Gemeinschaftsaktion, ein gemeinsames Tragen und Getragen-werden, einen magischen Moment. Anstelle komplizierter Werkerklärungen gibt es Gebrauchsanweisungen und Anregungen, wie seine Arbeiten spielerisch erlebt, über die einzelnen Felder der Tora gehüpft werden kann, ohne sich zu verhaspeln. Sagt's, lacht und macht's vor.
Alles ist anders als gewohnt: Nicht die Angst um die eigenen Werke dominiert, sondern um die Kinder, die sich beim Spielen an seinen Arbeiten verletzen könnten. Wer den Künstler bereits kennt, weiss was ihn erwartet, wenn Werner Haselmeier zur Ausstellung lädt: Der totale Bruch mit konventionellen Formen, nicht nur was seine Werke, sondern auch den Umgang mit ihnen betrifft.
Statt «Bitte nicht berühren» scheint hier das gegenteilige Motto zu herrschen, als Grundvoraussetzung dafür, selbst berührt zu werden. Zur Erleichterung der Eltern, die für einmal keine Angst zu haben brauchen, dass irgendetwas kaputt geht, Tücher dürfen angefasst, gar betreten werden.
Wandelnde Skulptur
Kurzes Zwischenspiel der Jugendmusik Amriswil. Am Beispiel von Rucksackbildern demonstriert Haselmeier mögliche Transportarten, für einige Werke empfiehlt er eine urtümliche Schleipfmethode, für andere ein Stangenprinzip.
Längst haben die Besucher ihre Scheu vor den Kunstwerken verloren, bringen «Schweigende Tücher» von der Waagrechten in die Vertikale, helfen sich gegenseitig beim Probe-Tragen. Ein junger Mann schlüpft in das alte «Gebärkleid», ein anderer duckt sich unter einem «sensiblen Buch», auf dem ehemaligen Verladeplatz positionieren sich Kinder unter einem baldachinartigen Himmel.
Und schon setzt sich der imposante Prozessionszug - von zwei Rosswagen umrahmt - in Bewegung, über Feldwege Richtung Brunnenhof. Fellini lässt grüssen. Gemeinsam werden rund zwei Dutzend «Schweigende Tücher» an die frische Luft getragen, im Gedenken an menschliche Tragödien, die Werner Haselmeier in den letzten Jahren durchlebt, durchlitten oder durchdacht hat.
Auf diesem Felde komme ihm Haselmeier vor wie eine wandelnde Skulptur, die für eine Welt ohne Gewalt plädiere, sagt Besucher Kaspar Staub, oder wie ein Hirte seiner Kunstwerke und deren Träger. Längst ist nicht mehr unterscheidbar, wer Künstler und wer Ausstellungsbesucher ist, die Grenze zwischen Betrachter und Betrachtetem hat sich aufgelöst.
Alle verschwimmen sie zu einem plastischen Gesamtkunstwerk, verwachsen zu einem sakralen Prozessionszug, in kurzer Zeit entsteht unter eben noch Fremden eine unerwartete Gemeinsamkeit: Alle sind sie Akteure im gleichen Stück.
Bauern als Galeristen
In der Remise sitzen sie nun fröhlich beisammen, den üppigen Brunch geniessend, den ihnen die Familie Ammann serviert. Eine Premiere sei es für sie gewesen, diese Ausstellung auf ihrem Hof, ihre Funktion als Galeristen, sagt Richard Ammann. Haselmeiers schlichte Arbeiten würden sehr gut zu diesem Ort passen, wo täglich mit denselben Materialien Erde und Lehm gearbeitet werde.
Und auch der Künstler strahlt übers ganze Gesicht: «Durch das Aufklappen und Entrollen sind die Tücher aus ihrem Schweigen erlöst, durch das Berühren und Tragen zum Knattern und Reden gebracht worden.» Nun werden sie wieder zurückgebracht in die «Halle des grossen Feldes», auf dass sie von nun an regelmässig an die frische Luft getragen werden.
Die «Schweigenden Tücher» können auf Anfrage (Telefon 411 44 08) noch bis Mitte Juni im Gewerbezentrum Sommeri besichtigt werden.
 
 
 
Tagblatt Online, 04. Mai 2001 01:30:00
Eine Kunst-Galerie auf dem Felde
Mit der Aktion «Buurezmorge» eröffnet der Oberthurgauer Künstler Werner Haselmeier am nächsten Sonntagmorgen den vierteiligen Zyklus «Aufsuchende Kunst» - Ein Ausblick auf ein besonderes Ereignis.
Obersommeri, im Gewächshaus des Brunnenhofs. Zwischen Nüssli- und Kopfsalat-Feldern stehen Agnes und Richard Ammann, dem Künstler Werner Haselmeier die Funktionsweise ihres Tränksystems erklärend.
Die fachmännisch eingebaute Wasseranlage imponiert dem Besucher offensichtlich: «Eigentlich machen Künstler nichts anderes als solche Installationen, wie sie hier zu sehen sind», meint Haselmeier mit einem schallenden Lachen, welches augenblicklich auf das Ehepaar Ammann überschwappt.
Prozessionsartige Wanderung
Mantel und Filzhut sind abgelegt, auf dem Tisch heissen Kaffee und frischer Apfelstrudel den Gast aus der Nachbarschaft willkommen. Und ein Birnenschnaps, der Haselmeier darüber rätseln lässt, wie die Frucht wohl den Weg durch den engen Flaschenhals gefunden habe.
Die wohlige Atmosphäre der Bauernstube bringt den Künstler sofort in Fahrt, in wenigen Sätzen beschreibt er den Ablauf der sonntäglichen Veranstaltung: Auf einer prozessionsartigen Wanderung sollen «Schweigende Tücher» aus Haselmeier's Atelier zu Ammanns Hof getragen und dort in den Acker gestellt werden, bevor der Künstler zum «Buure-zmorge» lädt.
Dem Bauernstand gewidmet
Der erste Teil des vierteiligen Zyklus «Aufsuchende Kunst» sei dem Bauernstand gewidmet, mit dem er seit bald 30 Jahren zusammenlebe, sagt Haselmeier.
Vergleiche mit dem Wiener Aktionskünstler Hermann Nitsch, der berühmt-berüchtigt sei für seine happeningartigen
Ritualhandlungen auf Bauernhöfen, macht Haselmeier gleich im Voraus zunichte: «Niemand wird nackt herumflitzen, weder Kühe werden geschlachtet noch Tücher in Blut getaucht.»
Ganz andere Lebensart kennen lernen
Ammanns können der ersten Ausstellung auf ihrem Hof gelassen entgegen sehen und sich darauf freuen, «ins Leben eines Künstlers sehen, einmal eine ganz andere Lebensart kennen lernen zu dürfen».
Richard Ammann und Werner Haselmeier beugen sich über den Parzellenplan, die Route des Prozessionszuges besprechend, die vom Gewerbezentrum über das Jägerhüsli am Waldrand zum Brunnenhof führen soll. «Jeden Tag sehe ich das Bild dieser Prozession in meiner Alltagsschüssel», sagt Haselmeier, «an der Spitze eine kleine Musikkapelle, einen italienischen Trauermarsch spielend, zuhinterst drei Haflinger mit einer Kutsche, dazwischen die Aktionsbesucher, welche die zum Ausstellungsort tragen helfen.»
Trauerarbeiten
«Was sie denn verschweigen, diese Tücher», will Agnes Ammann wissen. Die «Schweigenden Tücher» seien Trauerarbeiten, die grosse Sackwand beispielsweise erinnere an das Massaker auf dem Platz vor dem grossen Palast in China, die grossen Erdkreise an das Reaktorunglück in Tschernobyl. Entstanden seien sie in einem tranceartigen Zustand, barfuss habe er Lehm in diese Tücher eingestampft. Jetzt liegen sie ungeordnet in der «Halle des grossen Feldes» und schweigen für eine Welt ohne Gewalt. «Bis sie am Sonntag an die frische Luft getragen werden, zum Bauernhof, um da eine Weile zu bleiben, die Blüten zu spüren, den Geruch der Erde aufzunehmen.»
Aktionsbesucher treffen sich am nächsten Sonntag, 6. Mai, um 10.30 Uhr in der «Halle des grossen Feldes», Gewerbezentrum Sommeri; anschliessend Spaziergang oder Rösslifahrt, ab 12 Uhr Brunch auf dem Brunnenhof.
 
 
 
Tagblatt Online, 05. April 2001 01:30:00
Labyrinth alternativer Lebenskunst
Sommeri, Montagnachmittag. Nach der Löwenarena komme ein Gewerbezentrum, ganz hinten auf dem Areal eine Rampe, dann eine rote Türe, instruierte mich der Anrufer mit einem herzhaften Lachen. Und tatsächlich, hier ist sie, die angekündigte Schnur, an der ich kräftig ziehen solle.
Sommeri, Montagnachmittag. Nach der Löwenarena komme ein Gewerbezentrum, ganz hinten auf dem Areal eine Rampe, dann eine rote Türe, instruierte mich der Anrufer mit einem herzhaften Lachen. Und tatsächlich, hier ist sie, die angekündigte Schnur, an der ich kräftig ziehen solle.
Ein stilles Gebimmel entfernter Glöckchen wird hörbar, unweigerlich fühle ich mich an Schellenursli oder Till Eulenspiegel erinnert. Und wenig später öffnet sich ein kleiner Spalt in einem Lüftungsfenster der ersten Etage, ein Mann mit Brille späht durch die Lamellenschlitze. Eine Szenerie, die zur Telefonstimme und dem herzhaften Lachen passt, keine Frage, das muss er sein, der Künstler Werner Haselmeier, wie er leibt und lebt.
Spaghetti-Blues
Hindurch durchs rote Tor, die Treppen hoch, und schon stehen ich und meine zwei Begleiter vor einer schweren Schiebetüre, hinter der sich ein bunter Mikrokosmos verbirgt, ein Labyrinth alternativer Lebenskunst sondergleichen.
Vor rund zehn Jahren habe er sich hier eingenistet, sagt Werner Haselmeier, der uns auf direktem Weg in seine Küche führt, die ehemalige Schäumerei. Der ganze Fabriktrakt sei marode und voller Schutt gewesen, erzählt der Langzeitbewohner, in mühseliger Arbeit sei nach und nach eine gemütliche Wohn- und Atelier-Loft entstanden.
Das Herzstück der Fabriketage ist zweifellos die Küche, ein multifunktionaler Raum, eine Mischung aus Büro und Bad, dazwischen ein paar wenige Küchenutensilien. Seit Jahren benutze er die gleiche Gabel, seine Lebensform habe etwas Mönchisches, sagt der 60-jährige Künstler.
Das Essen kann in der Badewanne serviert werden, auch der Griff nach «Joseph Beuys» oder «Marcel Duchamp» ist nicht weit, alles liegt nahe beisammen. Und vor allem kann Haselmeier auf seiner E-Gitarre einen rockigen Blues spielen, während die Spaghetti in der Pfanne «bröseln». Sagt's, schnappt sich die Gitarre und gibt eine beeindruckende Kostprobe seines Temperamentes.
Dreidimensionales Tagebuch
An der Wand hängt ein Sammelsurium an kleinen Zettelchen, Fotos, Briefen, Terminen und Adressen, Notizen, Alltagsgegenständen auch, die sich in den letzten Jahren angesammelt haben, teilweise ausgetauscht oder überlagert wurden. Ein «10-Jahre-Küchen-Arrangement», wie es Haselmeier nennt.
Eine Art dreidimensionales Tagebuch aus Geschichten und Erinnerungen, Ablagerungen, Schichtungen, am ehesten mit einem schweren Kunstwerk vergleichbar, hinter dem sich 20 frühere Bilder verstecken.
Das treue Abbild einer fantasievollen, eigenwilligen Persönlichkeit, die sich nicht scheut, unkonventionelle Lebensfäden zu spinnen.
Haselmeier nimmt uns mit auf einen Rundgang durch sein Reich, vorbei an einem Hochbett, hinein in einen grossen Arbeits- und Ausstellungsraum.
Eine zweite Wandschichtung sticht sofort ins Auge, ein beleuchtbarer «Christbaum» nach Haselmeier-Art, ein wirres Geflecht aus Alltäglichem wie Mappen, Masken, Koffern, Schlittschuhen und Spielzeugen, ein Netzwerk an Lebensfäden, welches der Künstler mit seinem 13-jährigen Sohn Till verdichtet und kontinuierlich weiterentwickelt.
Am Boden schweigen tuchähnliche Objekte vor sich hin, ein Derwisch aus vernähten Hosen und Röcken ist ausgebreitet, ganz nach Vorbild persischer Trancetänzer, an der Wand hängen stille Kleider und Rucksackbilder, weiter vorne überrascht ein Stuhlorchester, bestehend aus Bass, Leier und Solovioline. Als Höhepunkt präsentiert uns Haselmeier ein Gravitationsritual: Eine ringförmige Schublehr aus Metall wird in Schwingung versetzt, sich immer schneller und lauter um die eigene Achse drehend, ein gewaltiges Crescendo steuert dramatisch auf einen Höhepunkt zu, bis der Ring plötzlich verstummt.
Aufsuchende Kunst
All diese unzähligen künstlerischen Arbeiten sollen in diesem Jahr vorgestellt werden: Eine Werkschau in vier Teilen, den Jahreszeiten entlang. Ein Zyklus, der sich am ehesten mit «Aufsuchender Kunst» überschreiben lässt, will Haselmeier doch von musealer Kunst abrücken. Seine Werke sollen in den Alltag von Menschen aus seiner Umgebung getragen werden.
Erstmals am 6. Mai, wenn «Schweigende Tücher» in einer Prozession zu einem Bauernhof getragen und dort in den Acker gestellt werden, bevor Werner Haselmeier zum «Buurezmorge» lädt.
Tagblatt Online, 13. Dezember 1999 00:30:59
Eiszeit - oder wie man Schicht um Schicht abträgt
Das stelle die Geburt dar, sagen zwei Betrachterinnen spontan zu einem Bild, dass der Aktionskünstler und Maler Werner Haselmeier am Sonntag in seinem Atelier in Sommeri hervorkramt. Ja, die Entstehung sei darauf zu sehen, bestätigt er. «Fast wie ein Picasso», mutmasst eine weitere Besucherin. «Sieht vielleicht so aus, ist aber ein echter Haselmeier», lacht der Künstler. Fünf Jahre habe er das Bild jetzt nicht mehr gesehen.
Wie doch die Zeit vergeht. Aber die Erinnerung bleibt: «Damals hatte ich meinen rechten Arm in der Schiene - dieses Bild habe ich mit der linken Hand, die dicken Striche mit diesem Finger gemalt», erzählt er auf seinen Zeigefinger deutend.Werner Haselmeier ist ein Schaffer. Immer wieder entsteht Neues, Anderes. Hin und wieder stellt er einen Teil seiner Werke aus, wie zurzeit im Gemeindehaus Amriswil. Oftmals stellt er die Bilder aber einfach an eine seiner grossflächigen Atelierwände, in den Maschinenräumen einer ehemaligen Fabrik. Wenn er dann sein Atelier wiediesen Sonntag für alle öffnet, sind die Besucher neugierig. Sie wollen wissen, was sich hinter den grossen Tüchern verbirgt. Und so trägt er Schicht um Schicht ab, bis er eben auch auf Werke stösst, die vor Jahren entstanden sind.Zusammen mit seinem geigenden Freund begrüsst der Künstler an diesem Morgen die Besucherinnen und Besucher mit der Handorgel und interpretiert in der Wohnstube seines AteliersZigeunermusik. In jedem von uns stecke etwas Zigeunerhaftes. Das Publikum stimmtzu und geniesst die virtuos vorgetragenen Töne. Kulturell aufgebaut machen sie sich dann auf Entdeckungsreise durch den Arbeitsteil des Ateliers. Bewundern Skulpturen, Bilder, Installationen. Und den Christbaum, den man als solchen erst auf den zweiten Blick erkennt - trotz der vielen kleinen leuchtenden Lämpchen. An einer Wand hängt von der Kartonschachtel bis zum Schlittschuh, von der Kugelbahn bis zum Suppenlöffel und von Gipsmasken bis zum ausgedienten Pinsel alles, was zu einem Christbaum persönlicher Erinnerungen gehört.Später gibt es für seine Gäste eine währschafte Zigeunersuppe. Zur Stärkung, wie er sagt. Denn seine Musik, seine Werke, seine Kunst und seine Art erfordern Aufmerksamkeit, wecken Lüste und Sehnsüchte. Werner Haselmeier zieht das Publikum in seinen Bann, die Betrachter sind, ohne dass sie es eigentlich merken, gefesselt von seinen Worten, seinem Lachen, seinem Schalk. Einige können sich davon kaum lösen, bleiben lange im Atelier. Andere gehen früher, wieder andere kommen später.Für die abendlichen Gäste hat er eine spezielle Inszenierung bereit. Zu sattem Blues zeigt er seine Installation Eiszeit, die bei Tageslicht nicht so recht zur Geltung kommen will. Im nur mit UV-Licht beleuchteten Atelier leuchten seine weissen Skulpturen heraus. Eisberge und Eisbären lassen die Besucherinnen und Besucher gar erfrösteln. Aber nur solange, bis das Werk richtig wirkt - und Werner Haselmeier auch die späten Gäste in seinen Bann zieht, Schicht um Schicht der Kälte abträgt und für ein warmes, geselliges Klima sorgt.
Christian Ballat
 
 
 
Tagblatt Online, 28. Oktober 1999 00:30:59
Mit Werner Haselmeier alle Sinne erleben
Seine Werke sind eigen und vielfältig - genau wie seine Fähigkeiten: Am Künstlergespräch präsentierte sich der Maler und Gestalter Werner Haselmeier auch als Musiker.
 
Christian Ballat
Fremde Klänge erhellten das Amriswiler Gemeindehaus. Der einheimische Künstler Werner Haselmeier an der Handorgel und sein Kollege Ernst Langanke an der Geige sorgten für deftige Zigeunermusik.
Einstieg ins Gespräch
Ein gelungener Einstieg in ein Künstlergespräch im Rahmen der Reihe «move - 12 x Kunst in Amriswil».Edwin Kunz von der Projektgruppe konnte für diesen Abend viele Sponsoren der Jubiläums-Kulturreihe begrüssen. «Wir danken Ihnen, dass Sie den Erfolg von move möglich machen.» Was er mit Worten ausdrückte, setzte der Amriswiler Künstler mit Sommerer Wohnsitz gleich musikalisch um - zum Vergnügen des zahlreich aufmarschierten Publikums.
Zwei Ausstellungen
Christine Erb, ebenfalls Mitglied der Projektgruppe «move» wies in ihren Erläuterungen darauf hin, dass hier gleich zwei Ausstellungen zusammen kommen. Einerseits die Containerausstellung mit nicht ganz alltäglichen Gebrauchsgegenständen, andererseits die Ausstellung von Bildern und Werken - eher im traditionellen Sinne - im Gemeindehaus.
Nur ein Teil des Schaffens
Beide Ausstellungen zusammen mögen in ihrer Vielfältigkeit nur einen Teil des abwechslungsreichen Schaffens von Werner Haselmeier aufzuzeigen.Doch beide Ausstellungen haben etwas gemeinsam: Des Künstlers Werke wollen alle Sinne anregen. Nicht nur das Sehen ist gefragt. Anfassen, fühlen - und durch eigene Bewegung etwas in Bewegung bringen: So die Einladung des kreativen Künstlers an sein vielschichtiges Publikum.
Komplizierte Herstellung
Das Spielerische und Einfache ist oft die Wurzel Haselmeiers Werke, wenn auch die Herstellung derweilen recht kompliziert sein kann. So behandelt er seine Leinwände zuerst mit Leim, Asche und Quark, seine Farben stellt er nach einem Geheimrezept aus Farbpigmenten und Wachs her.
Begeisterung bei Gästen
Die Besucherinnen und Besucher zeigten sich anlässlich des Künstlergespräches begeistert, bestaunten die Werke und begannen die Spielereien selbst auszuprobieren. Werner Haselmeier bewies dazu, dass er nicht nur mit der Handorgel furios umzugehen weiss, sondern auch seinen Klangstühlen bluesige Rhythmen entlocken kann. Davon können sich die Interessierten übrigens demnächst in Haselmeiers Atelier in Sommeri nochmals überzeugen.
 
 
 
 
Tagblatt Online, 18. Oktober 1999 00:30:59
Das Tor zum Paradies
Werner Haselmeier stellt im move-Container und im Gemeindehaus sein vielfältiges Schaffen vor
Für einmal waren es die Zuschauerinnen und Zuschauer, die eine Vernissage aktiv zu gestalten hatten. Wenigstens aktiv mitzugestalten. So bekam die Vernissage mit Werken von Werner Haselmeier einen guten Schuss Humor.
 
RITA KOHN DELL'AGNESE
Für grosse und kleine Kinder sei die Ausstellung im Container sagt Werner Haselmeier und greift zum Blasrohr. «Schiessen und Malen» heisst das Objekt, das im move-Container an eine Künstlerin erinnert, die auf ähnliche Weise nicht nur Aggressionen stillte sondern auch vielfach beachtete Bilder kreierte. «Vulkanausbruch» nennt sich ein anderes Objekt. Hier sind kleine blinde Wesen aus dem Ascheregen des Vulkans zu retten. Und die Stühle an den Seitenwänden laden zum musizieren ein: bespannt mit Saiten geben sie bei Berührung erstaunliche Töne von sich. Nichts hat der Amriswiler Künstler Werner Haselmeier ausser Acht gelassen. Wer sich in den Container «verirrt», der soll unterhalten sein, in die Kunst von Werner Haselmeier eintauchen, spielend den Sinn des Lebens erfahren. Sinnigerweise betritt der geneigte Besucher den Container direkt neben dem Tor zum Paradies. So wird der Container dass, was er in Werner Haselmeiers Augen in den nächsten Wochen sein soll: Ein Eingang zum Paradies, ein Ort wo Spieltrieb und Kreativität hochgehalten werden.
Gleichzeitige Ausstellung
Doch nicht nur im Rahmen der elften move-Aktion, die am Freitagabend ihre Vernissage erlebte, wird sich Werner Haselmeier in den kommenden Wochen und Monaten der Öffentlichkeit vorstellen. Gleichzeitig mit dem move-Container bezog Haselmeier auch das Gemeindehaus. Für ein Jahr wird seine ungewöhnliche Kunst aus gewöhnlichen Materialien zum Schmunzeln, zum Nachdenken oder einfach nur zum Staunen anregen.
Vielfältiges Schaffen
Die ganze Vielfalt des Künstlers offenbarte sich den zahlreichen Gästen der Vernissage, die gleichzeitig die Eröffnung der move-Aktion wie auch der Ausstellung im Gemeindehaus miterlebten. Die im Gemeindehaus zu betrachtenden Werke stellen mehrheitlich das Schaffen aus vergangenen Zeiten dar, die im move-Container zu berührenden Spielereien gehörten zu den jüngsten Werken des lebhaften Künstlers.
Eine Tradition
«Kunst in Amriswil: Ich denke, das ist etwas, das schon ziemlich weit zurück geht», sagte Gemeindeammann Peter Kummer, der sich erfreut darüber zeigte, dass mit Werner Haselmeiers Werken den Besucherinnen und Besuchern des Gemeindehauses erneut das Schaffen eines einheimischen Künstlers vorgestellt werden kann.
Ein Lebenskünstler
Dorothee Messmer, Kunsthistorikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin des Kunstmuseums des Kantons Thurgau würdigte in ihrer Vernissage-Rede die Kreativität des Amriswilers, der heute in seinem Atelier in Sommeri lebt. «Diese eine Aktion stellt etwas Besonderes dar», meinte die Rednerin. Sie sei beeindruckt durch die Wahl der Mittel, deren Werner Haselmeier sich bedient. Von drei Dingen würden die Werke Haselmeiers belebt: von Reduktion, von Experimentellem und von der Sinnlichkeit des Materials. Diese durften die Gäste anhand einer speziellen Performance vor dem Gemeindehaus erleben. Der Künstler agiere auf dem Platz einmal als Zauberer, einmal als Kind mit glänzenden Augen und einmal als herzensguter Vater oder als Pädagoge. Ja, sie wolle Werner Haselmeier, ohne damit despektierlich zu werden, gar als Lebenskünstler bezeichnen. Initiativ doch verständlich suche Haselmeier seinen Weg. Und für seine Werke gelte der Grundsatz: Körpererfahrungen sind erwünscht.